Nach der Krise ist vor der Krise – so hat es zumindest gerade den Anschein. Lagen früher gerne mal Jahrzehnte zwischen den großen Krisen, folgt aktuell ein gesellschaftsveränderndes „Event“ auf das nächste. Zwischen Öl- und Bankenkrise hatte man Zeit in Ruhe zu studieren und eine Familie zu gründen. Mittlerweile schafft man es zwischen den globalen Krisen nicht mal mehr, eine Schwangerschaft über die Bühne zu bringen oder ein 3-Gänge-Menü für die Schwiegermutter zu kochen. Es scheint daher ganz natürlich, dass in Zeiten von Inflation, Rückgang der Kaufkraft und einfach gestiegener Unsicherheit viele Marken und Unternehmen ihre Werbebudgets zurückfahren und auf bessere Zeiten warten. Aber: Ist dies wirklich eine gute Strategie? Ich verrate dir, warum dies keine gute Idee ist und warum du die Präsenz auf den Social Media Netzwerken auf jeden Fall behalten, wenn nicht sogar ausbauen solltest.

Nach der Corona-Krise ist in der Ukraine-Krise

Geht es euch auch so? Man kommt überhaupt nicht aus dem Krisenmodus raus. Gerade sah es so aus, als würden demnächst langfristig Corona-Restriktionen gelockert, löst der Angriff Russlands auf die Ukraine die nächste globale Krise aus. Der Unterschied? Hat die Corona-Krise zumindest gewisse Branchen (z.B. eCommerce) noch begünstigt, stößt der Krieg in der Ukraine die komplette Weltwirtschaft in eine lang nicht mehr gesehene Inflation. Preise gehen hoch, Verbraucher reagieren mit verhaltenem Kaufverhalten und Marken reduzieren folglich über kurz oder lang ihre Werbebudgets. Fürs Online-Marketing heißt das vor allem: Alles runterschrauben, was keine direkten Conversions bringt. Vor allem also Social Media Maßnahmen.

Doch was bedeutet es, Budget im Social Media zu kürzen?

Auf den ersten Blick ist es völlig verständlich: Wenn die Umsätze sinken, liegt es nahe, alle Maßnahmen zu drosseln, die keinen direkten Einfluss auf die Sales zu haben scheinen. Doch schauen wir uns erstmal an, was alles gekürzt wird, wenn Social-Media-Maßnahmen heruntergefahren werden:

  • Es werden weniger Inhalte in den Social-Media-Kanälen gepostet
  • Es wird das Community Management reduziert oder eingestellt
  • Die Social-Media-Plattformen werden nicht mehr bespielt
  • Die Reichweiten sinken, die Interaktion ebenfalls, man wird langsam unsichtbar

Wer in der Krise nicht wirbt, verliert!

Dies zeigt die Wissenschaft: Verschiedene Studien (z.B. vom Harvard Business Manager im Januar 2021 oder eine zwar ältere, aber ebenso wahre Erhebung von Millward Brown 2011) zeigen klare Zusammenhänge:

  1. Wer in Krisenzeiten Werbeausgaben reduziert, verliert überproportional an Reichweite und Markenbekanntheit.
  2. Drosselt man in Krisenzeiten 1 Jahr lang das Budget, braucht es über 2 Jahre um wieder auf die gleichen Wahrnehmungswerte zu kommen.
  3. Wer in Krisenzeiten wirbt, zahlt besonders langfristig auf die Bekanntheitswerte seiner Marke ein. Die Effekte von Budgeterhöhungen sind noch Jahre später zu messen.

Lest dazu auch gern im Artikel von meinem Kollegen Matthias weiter. Er hat sehr viel ausführlicher dargestellt, welche Top 5 Gründe für Werbung in Krisenzeiten sprechen als in diesem Artikel Platz dafür ist.

Weiterhin zeigt sich: Da trotz der oben genannten Punkte, die meisten Marken und Unternehmen ihre Bemühungen in Krisenzeiten herunterfahren, wird es schlichtweg wesentlich kostengünstiger zu werben – gerade in den sozialen Netzwerken, denn hier ist jede Werbeeinblendung der Gewinner einer Auktion.

Die Potenziale von Social Media nicht unterschätzen!

Social Media unterscheidet sich in einigen Punkten von anderen Werbe- bzw. Online-Marketing-Kanälen: Wir haben die Echtzeit der Kommunikation, die vielen Darstellungsmöglichkeiten, die vielen unterschiedlichen Zielsetzungen, die verfolgt werden können, die Messbarkeit und und und. Das sind alles bereits Gründe, warum wir die Kanäle nicht vernachlässigen sollten.

Meiner Meinung nach ist der Kernpunkt aber ein ganz anderer: Es ist interaktiv! So nutzen viele User die Social-Media-Netzwerke, in denen sie sich tagtäglich oft mehrere Stunden aufhalten, als Plattform, um Fragen oder auch Beschwerden an Unternehmen loszuwerden. Gerade in Zeiten, die von Unsicherheiten geprägt sind – sei es, dass auf einmal alles dicht ist oder weil auf einmal alles teurer wird und man Angst vor der nächsten Nebenkostenabrechnung oder dem nächsten Gurkenkauf hat – haben Menschen ein höheres Kommunikationsbedürfnis. Dieses lassen sie natürlich auch in den sozialen Netzwerken raus, auch auf Unternehmensaccounts.

Wenn diese Nachrichten und Kommentare dann verzögert oder sogar gar nicht beantwortet werden, trägt das zu noch größerer Unsicherheit und Unzufriedenheit bei dem Einzelnen aus und sendet auch schlechte Signale an die Community. Wenn irgendwie möglich, sollten die Kapazitäten fürs Community Management in Krisenzeiten also sogar noch erhöht werden, um den Kunden gerecht zu werden und Sicherheit zu bieten. Vertrauensaufbau ist nun wichtiger denn je!

Marktforschung zu teuer? Kein Problem: Schau doch auf Instagram, TikTok und Co.!

Auch können die Kommentare und Nachrichten der User bzw. einer aufgebauten Community noch viel mehr verraten. Nämlich was gerade die Wünsche der Kundschaft sind. Auf den eigenen oder auch anderen Kanälen kann ganz kostenlos Marktforschung betrieben werden und ausgecheckt werden, wie die Stimmung gerade ist. Wo drückt der Schuh eigentlich aktuell? Welche Themen beschäftigen meine Zielgruppe? Haben sich diese verändert und muss ich meine Strategie ggfs. anpassen? Andere Werbekanäle können diese Detailliertheit mit großer Sicherheit nicht liefern!

Social Media Dauertrend Authentizität siegt noch immer

Screenshot eines Instagram-Beitrages von @bleedclothing
Quelle Screenshot: webnetz / Instagram @bleedclothing

Eindrücklich zeigt es der Fall @bleedclothing, die mit radikaler Offenheit gepunktet haben und in einer Krisenzeit einfach ehrlich waren: Die nachhaltige Modemarke bleed Clothing aus Franken hat ganz offen mit ihrer Community geteilt, wie es aktuell um die Marke steht (der Post ist bei Erscheinen dieses Artikels zwei Monate alt). In einem einfach gestalteten Video erklärt der Gründer und eine Designerin, wie es aktuell um die Marke und generell um Fair Fashion Marken steht und wie sich die Rahmenbedingen verändern und somit verschärfen. Beschrieben werden die durch die Krise erschwerten Bedingungen mit der ganz klaren Aussage, dass die Existenz der Marke auf dem Spiel steht, verbunden mit einem Aufruf an die Community, dass die Lage nur gemeinsam geändert werden kann.

Dieses Video ist Teil einer Transparenz-Kampagne, die auch auf der Website der Marke unter https://www.bleed-clothing.com/de/sos zu finden ist.

Die Ehrlichkeit hat sich ausgezahlt: In weiteren Postings werden Zitate von Mitarbeitenden der Modemarke dargestellt. In diesen wird klar, dass die Resonanz sowohl von Endkunden als auch vom Handel sehr positiv war und es zumindest vorerst weitergehen kann.

Screenshot eines Instagram-Beitrages von @bleedclothing. Text im Bild: "Ich bin echt überwältigt von dem Support. Aktuell werden einige Gespräche geführt. Zudem prüfen wir intern, was wir noch weiter optimieren können."
Quelle Screenshot: webnetz / Instagram @bleedclothing

So oder so: Ohne die verstärkte Nutzung von z.B. Instagram als direkten Kommunikationskanal und Verbreitung ihrer Nachrichten und Aufrufe über die Social-Media-Kanäle der Marke, wäre – glaubt man der Marke – die Situation um einiges schlechter.

Stringente Kommunikation führt zu Vertrauen – gerade in der Krise

Mein dringender Aufruf also:

Ihr habt euch über Jahre auf einigen Social-Media-Kanälen eine Community aufgebaut – nutzt sie also gerade in Krisenzeiten und lasst sie mit ihren Sorgen und Nöten auf gar keinen Fall allein. Ich würde sogar noch weitergehen. Haltet euch an die ewigen Gebote Authentizität, Transparenz und stringente & glaubhafte Kommunikation und sichert euch so eure Marktanteile und langfristig noch viel wichtiger: Die Markenliebe und das Vertrauen eurer Kundinnen und Kunden!

Die Welt mag immer schnelllebiger und verrückter werden, doch ich bin mir sicher: Social-Media-Netzwerke werden erst einmal bestehen bleiben und für die Vermarktung eher noch relevanter werden. Daher überlegt bitte einmal mehr, ob es wirklich ratsam ist, die Bemühungen aus Kostengründen einzustellen. Ihr habt sogar gute Chancen auf automatische Kostenreduktion, da sehr viele Marken in schwierigen Zeiten ihre Werbebemühungen herunterfahren. Social Media kann euch eine große Hilfe in Krisenzeiten sein – und eins scheint leider sicher, relativ unabhängig von der Branche – die nächste Krise kommt bestimmt.

Haltet die Ohren steif!

Adrienne


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Bildnachweis Titelbild: iStock – fizkes