Selten haben ein paar kleine Satzzeichen für so hitzige Diskussionen gesorgt wie Sternchen oder Doppelpunkt beim Gendern. In der aktuellen Debatte rund um die Gendersprache treffen verschiedenste Ansichten aufeinander.
Wir wollen uns heute mit dem Gendern auf den Social Media-Kanälen beschäftigen: Muss ich gendern? Oder laufe ich sogar Gefahr, mir einen Shitstorm einzufangen?

Was ist mit „gendern“ überhaupt gemeint?

Gendern bedeutet, dass in der Kommunikation geschlechtsneutrale oder geschlechtsinklusive Ausdrücke verwendet werden, um dadurch so zu kommunizieren, dass niemand ausgeschlossen wird. War bisher in der Kommunikation das generische Maskulinum vorherrschend (z.B. Studenten), sieht man nun immer häufiger die Variante gegenderte Formen (Student:innen/Student*innen) oder geschlechtsneutrale Begriffe (Studierende). Im Gegensatz zu Sichtbarmachung beider Geschlechter (z.B. LehrerInnen) liegt dem Gendern mit Doppelpunkt oder Sternchen zugrunde, dass z.B. auch nicht-binäre Personen inkludiert werden. Dazu zählen Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen.

Gendern auf Social Media-Plattformen: Muss ich gendern?

Die kurze Antwort: Nein. Es gibt (noch) keine Norm für geschlechtergerechte Sprache. Trotzdem – oder gerade deshalb – hat gendern in der Kommunikation eine starke Wirkung, der man sich bewusst sein sollte und das betrifft natürlich auch das Marketing und somit auch die sozialen Netzwerke.

Was wir an dieser Stelle klarstellen möchten: Gendern sollte kein Marketing-Gag sein. Wer sich dafür entscheidet, sollte das aus Überzeugung tun. Die Euro-Zeichen in den Augen und Performance-Gedanken im Hinterkopf sollten hier nicht der ausschlaggebende Punkt sein.

Die Entscheidung für oder gegen das Gendern sollte unternehmensweit getroffen werden. Eine konsistente Kommunikation ist wichtig und sollte gut durchdacht sein. Es kann ratsam sein, dabei die eigene Zielgruppe gut im Blick zu behalten. Ist sie sehr jung? Oder möchtest du sie gern verjüngen? Dann solltest du dir bewusst sein, dass das Thema in der Generation Z und dem überwiegenden Anteil der Generation Y auf jeden Fall präsent ist. Wenn du zwar coolen, modernen Content machst, deine Sprache aber nicht inklusiv ist, kann es sein, dass das der Zielgruppe negativ auffällt. Für die Studie „OK Zoomer – Marketing für die Gen Z“ wurden im April 2021 1000 Menschen zwischen 16 und 25 Jahren befragt. Während 25 Prozent der Männer eher bei Marken kaufen, die gendergerechte Sprache benutzen, sind es bei den Frauen ganze 46 Prozent. Jüngeren Teilnehmerinnen der Studie im Alter von 16 bis 17 ist das Gendern mit 56 Prozent besonders häufig wichtig. Von den 24- bis 25-jährigen Frauen wünschen sich nur 39 Prozent die korrekte Ansprache als „Kundinnen“ statt „Kunde“. Bei den 16- und 17-Jährigen sind es dagegen 56 Prozent. Andersrum kann es passieren, dass die Baby Boomer-Generation oder Generation X mit dem Kopf schüttelt und sich fragt, warum du dich dem „Gender-Wahnsinn“ jetzt auch anschließt. (Ausnahmen bestätigen natürlich – wie immer – die Regel.)

Der Vorteil: Während du SEO-seitig durch das Gendern vor ganz neue Herausforderungen gestellt wirst und deine Rankings im schlimmsten Fall leiden können (lies dazu auch unseren Blogartikel „So funktioniert Gendern im SEO und SEA“), ist die Performance auf Social Media kaum bedroht. Im Gegenteil, in einem A/B-Test von Agorapulse wurde sogar klar, dass die Grafik mit gegenderter Sprache besser performt hat als die Alternative. Natürlich reicht ein Test nicht aus, um das Ganze zu beweisen.Wenn du aber eigentlich gern gendern möchtest, dir aber große Sorgen um deine Performance machst oder es Teammitglieder gibt, die noch überzeugt werden müssen, dann kann ein solcher Test dir vielleicht helfen und die nötige Überzeugungskraft mitbringen.

Test: Gegenderte und nicht-gegenderte Werbeanzeigen

Wir haben deshalb auch einfach mal einen Test aufgesetzt und gegenderte und nicht-gegenderte Werbeanzeigen gegeneinander laufen lassen. Wir haben einmal gegenderten und nicht-gegenderten Posting-Text gegeneinander getestet und einmal eine gegenderte und nicht-gegenderte Grafik gegeneinander getestet.

So sahen die Inhalte und Ergebnisse unseres Tests aus:

Ergebnisse:
Link-Klicks: 11
Reichweite: 1.376
CTR: 0,70%
Ergebnisse:
Link-Klicks: 50
Reichweite: 3.937
CTR: 0,91%

Ergebnisse:
Link-Klicks: 55
Reichweite: 5.162
CTR: 0,79%
Ergebnisse:
Link-Klicks: 16
Reichweite: 2.304
CTR: 0,57%

Was fällt bei den Ergebnissen auf? In der Anzeige, in der im Anzeigen-Text gegendert wurde, ist die Performance schlechter. Wenig Klicks, geringere Reichweite. Doch liegt es tatsächlich daran, dass gegendert wurde? Schwer zu sagen, denn betrachtet man die Anzeigen, in denen wir das gendern bzw. nicht-gendern direkt auf der Grafik getestet haben (wo es ja deutlich mehr ins Auge fällt) ist die Performance der gegenderten Variante deutlich besser.

Interessant auch: Die Werbeanzeige mit der gegenderten Bildaufschrift hat als einzige höhere Reichweiten in der weiblichen Zielgruppe erzielt. Bei den anderen drei Werbeanzeigen wurden eher Männer erreicht. Es ist also zu vermuten, dass eine weibliche Zielgruppe eher empfänglich für gegenderte Inhalte ist. Lars Langenhop, Experte für Social Media Ads bei web-netz, sagt:

Lars Langenhop web-netz Experte
Lars Langenhop, web-netz

„Bei Werbeanzeigen umgehen wir das Gendern meist ganz automatisch, weil wir die Zielgruppe ganz direkt mit „Du“ oder „Sie“ adressieren. Wo es möglich ist, nutzen wir neutrale Begriffe. Aus Performance-Sicht spricht erstmal nichts gegen die geschlechtergerechte Sprache. Was sich als schwierig erweisen könnte ist die geringe Anzahl sichtbarer Zeichen in Werbeanzeigen. Beim Gendern werden die Worte länger und in einigen Fällen kann es dann passieren, dass der wichtige Teil der Werbeanzeige nicht direkt sichtbar ist.“

Unsere Checkliste fürs Gendern

Ein paar Punkte, die dir bei der Entscheidung helfen können und auf die du achten kannst, um einen möglichen Übergang möglichst reibungslos zu schaffen:

  1. Sei konsistent: Auf Social Media gendern und dann auf der Webseite das generische Maskulinum verwenden? Das macht keinen guten Eindruck.

  2. Sei dir bewusst, welche Botschaften du sendest: Wenn du z.B. als Handwerksunternehmen einen Post darüber machst, dass du froh bist, dass es immer mehr Frauen in Handwerksberufen gibt, dann ist das eine super Botschaft. Die Wirkung verspielst du jedoch, wenn du in all deinen anderen Posts konsequent von Handwerkern sprichst.

  3. Mach dir klar, aus welchen Gründen du dich für oder gegen das Gendern entscheidest. Egal für welche Variante du dich entscheidest – es wird Personen geben, die dich in den Kommentaren wissen lassen, dass sie diese Entscheidung nicht befürworten. Geh darauf ein und erkläre deinen Standpunkt.

  4. Solltest du dich für eine geschlechtergerechte Sprache entscheiden, solltest du deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf jeden Fall eine Sprachregelung zur Verfügung stellen oder sie gemeinsam mit ihnen erarbeiten. Darin kann festgehalten werden, in welchen Fällen auf jeden Fall immer gegendert wird, welche Begrifflichkeiten möglicherweise durch andere, neutrale Begriffe ersetzt werden können und auf welche Art des Genderns ihr euch festlegt (Sternchen, Doppelpunkt etc.).

  5. Schau dir deine Zielgruppe an: Welche Generationen möchtest du mit deinem Content erreichen? Jüngere Zielgruppen die zudem noch eher weiblich geprägt sind scheinen eher empfänglich für gegenderte Inhalte zu sein.

Gegner:innen des Genderns – Bist du bereit für Gegenwind?

Vielleicht hast du es schon gesehen. Unter Social Media-Posts, in denen gegendert wird, findet sich eigentlich immer mindestens ein Kommentar von einer Person, die das nicht gut findet. Auch einige Personen des öffentlichen Lebens lassen sich dazu hinreißen, ihre Meinung zum Gendern mitzuteilen. So nennt Didi Hallervorden in einem Interview das Gendern eine „Vergewaltigung der Sprache“ – ein Argument, was sich bei vielen Leuten zeigt, die sich gegen eine gendergerechte Sprache aussprechen. 

Als auf der Facebook-Seite des WDR3 ein Post veröffentlicht wird, in dem gesagt wird, dass Berthold Brecht zu den einflussreichsten deutschsprachigen Autor:innen des 20. Jahrhunderts zählt (überschlagen sich die Kommentare und statt Kommentaren im zwei- bis dreistelligen Bereich, wie sonst für die Seite eher üblich, laufen über 1.000 Kommentare auf. Viele davon stoßen sich an der Formulierung, finden sie „ekelhaft“, „blödsinnig“ oder „daneben“.

WDR Facebook Kommentar
WDR Post Kommentar

 Quelle: Facebook-Seite des wdr3

Sollte man sich gegen das Gendern entscheiden, weil man Angst vor negativen Kommentaren hat? Wir sagen: nein. Angst ist, wie so oft, ein schlechter Ratgeber. Ob man sich nun dafür oder dagegen entscheidet: Für die eigene Entscheidung eintreten und das im Community Management auch so deutlich machen ist wichtig für die Wahrnehmung des Unternehmens oder der Marke. Solltest du dich also in einer vergleichbaren Situation wiederfinden, nutze das als Chance, um deine Meinung zu vertreten.

Fazit

Wenn wir uns drei Learnings wünschen dürfen, die du aus dem Artikel mitgenommen hast, wären es die folgenden:

  1. Gendern oder nicht gendern ist eine Entscheidung, die du aktiv treffen solltest.
  2. Wenn du dir ernsthafte Sorgen um deine Performance machst – testen, testen, testen!
  3. Sei konsistent in deiner Kommunikation und stehe auch gegenüber Kritikerinnen und Kritikern zu deiner Entscheidung.

Wir sind gespannt auf deine Meinung: Wie stehst du zum Gendern in der Unternehmenskommunikation?

Isabell

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