Der DFB ist nicht nur der weltweit größte Verband im Fußball-Kosmos, sondern sogar im gesamten Sport. Seit 2018 bewegt sich der Jahresumsatz zwischen 350 – 400 Millionen Euro. Aber sportlich konnte sich die DFB-Elf um Trainer Hansi Flick nicht als Schwergewicht auf dem WM-Rasen präsentieren, schied bereits in der Gruppenphase aus. Zudem ist diese WM weniger von sportlichen Diskussionen geprägt, vielmehr von gesellschaftspolitischen Kommunikationskämpfen auf und abseits des Spielfeldes. Im Mittelpunkt: Die Machenschaften der FIFA, Katar und Menschenrechtsverletzungen. Dieses Szenario erreicht durch die sozialen Netzwerke alle Fußballinteressierten weltweit. Daher haben wir einen Social-Media-Performance-Check der Team-Accounts des DFB gemacht und mit anderen performancestarken WM-Team-Accounts verglichen. Da sich die Datenmessungen im Zeitfenster 01.01.2022 bis zum 19. November abspielen, also bis einen Tag vor dem WM-Eröffnungsspiel, wird den Social-Media-Ergebnissen auch eine Orakel-Nebenrolle zuteil. Und siehe da: Dem Twitter-Turnierbaum zufolge scheidet das DFB-Team wie auf dem Rasen bereits in der Gruppenphase aus. Der Check erfasst die vier Plattformen Instagram, TikTok, Facebook und Twitter. Im Fokus steht dabei die Kennzahl „User Reaktionen“, die die Beziehung der Fans zum Team spiegelt.  

DFB-Team-Account im Turnierbaum-Check: Viermal vorzeitiges Aus auf vier Plattformen! 

Wir verwenden das klassische Turnierbaum-Format, haben die User Reaktionen aller Accounts erfasst und gemessen daran, die Performance aller Teams ermittelt – auf Instagram, Twitter, Facebook und TikTok. Ernüchterndes Ergebnis: Obwohl das Social-Media-Potenzial um Superstars wie Neuer, Müller & Co. groß ist, erreicht der DFB-Team-Account nur auf Facebook das Viertelfinale, auf allen anderen Plattformen ist bereits vorher Schluss.

Das DFB-Team im tiefen Twitter-Tal

Der Twitter-Turnierbaum ergibt anhand der Bewertungskategorie User Reaktionen das Aus für die DFB-Mannschaft in der Gruppenphase. Argentinien, England, Portugal und DFB-Elf-Besieger Japan erreichen das Halbfinale.

Unausgeschöpfte Follower-Potenziale und Beispiele für digitale Duplizität

Anhand eines Follower-Rankings (s.u.) lassen sich Relationen herstellen zu den oben im Turnierbaum abgebildeten User Reaktionen, um relevante Interpretationen der Performancewerte vornehmen zu können. So vereint der DFB-Account auf Twitter zwar unter allen WM-Nationen die sechstgrößte Followerschaft, kann dieses Reichweiten-Potenzial aber nicht mit Content-Anreizen aktivieren – eine Lowperformance wie auf dem Rasen. Weitere Beispiele für die digitale Duplizität der Ergebnisse: Auch Mexiko streicht trotz der höchsten Twitter-Followerschaft bereits in der Gruppenphase die Segel aufgrund schwacher User Reactions und liefert damit wie das DFB-Team eine Doublette zum sportlichen Ausscheiden. Hingegen erreicht Gruppengegner Polen das Achtelfinale, auf dem Rasen wie auch auf dem Twitter-Feld: Obwohl Mexiko mehr als das 15fache an Follower hat, erzielt Polen sogar etwas mehr User Reactions.

Die Engagement-Kennzahl auf Twitter dokumentiert datenbasiert das DFB-Desaster

Die Social-Media-Kennzahl, die besonders das Missverhältnis zwischen den vielen Followern und erschreckend wenig User Reaktionen aufzeigt, das sog. Engagement, bemisst die durchschnittliche Anzahl von Interaktionen auf die Posts eines Profils pro Follower pro Tag. Und da erhält der DFB eine verheerende Bewertung: Mit einem Wert von 0,042% findet sich der DFB auf dem vorletzten Gesamtplatz aller WM-Teilnehmer-Accounts wieder! Neben dem Iran ohne Twitter-Account, performt nur Tunesien, mit nur einem Post (06.02.2022) in diesem Jahr, noch schwächer.

DFB-Followerwachstumsstörungen seit 2018

Die Ergebnisse unserer Followerwachstums-Analyse seit der WM 2018 in Russland unterstreichen, wie stark der DFB in einem tristen Twitter-Tal steckt: Lediglich rund 63.000 Follower konnte der @dfb_team Account seit dem 01.01.2018 dazugewinnen. Die Top 10-Ränge der followerstärksten Accounts unter allen WM-Nationen sind damit relativ weit entfernt. Zum Vergleich: Frankreich feiert im gleichen Zeitraum ein 39fach höheres Wachstum (ca. 2,5 Millionen) ab.

Content Case-Check: Kaderpräsentationen auf den sozialen Medien

Im Vorfeld der meisten internationalen Turniere geht es schon Wochen vor dem eigentlichen Turnierstart darum, welche Spieler der Bundestrainer für das anstehende Turnier nominiert. Nimmt er den Altstar doch noch einmal mit oder entscheidet er sich doch für den formstarken Newcomer aus der heimischen Liga? Umso gespannter blickt daher die Fußball-Welt auch auf den Social-Media-Kanälen auf die offiziellen Kadernominierungen der WM-Teilnehmer. Wir werfen daher einen genaueren Blick auf die Kader-Präsentationen unmittelbar vor dem WM-Start.

DFB-Dilemma: Twitter-Content ohne WM-Reife?

Deutschlands Kaderveröffentlichung in den einzelnen Mannschaftsteilen (Tor, Abwehr & Mittelfeld/Angriff) ist ähnlich uninspiriert, wie die sportliche Darbietung bei der Auftaktniederlage gegen Japan. Die Verkündung des Teamkaders erfolgt im Stile einer PowerPoint-Präsentation ohne das gewisse Etwas an Fußball-Fanaffinität. Die Reaktionen-Resonanz fällt entsprechend mau aus.

Uruguay greift mit Content-Kontern nach dem Best-Case-Titel

Anders als auf dem DFB-Twitter-Account liefert das Social Media-Team von Uruguay einen starken Content-Spielzug: Quer durchs Land reisend wird die Kadervorstellung von Bürgern höchstpersönlich vorgenommen, indem Uruguay-Fans aus allen sozialen Schichten Trikots mit den Namen der Spieler hochhalten. Von Kindern über Senioren hin zum Schweißer von nebenan, alle halten Stolz das Trikot ihrer Nationalspieler hoch. Starke Content-Idee, die große Verbundenheit zwischen Nationalmannschaft und Bevölkerung spiegelt!

Bürger höchstpersönlich stellen den Kader von Uruguay vor.

„Tweet-Training“ powered by England und Argentinien

Argentinien (3,6 Mio. Reaktionen) oder England (5,6 Mio. Reaktionen) machen es dem DFB vor, wie die User kanalaffin animiert werden wollen:

Squad announcement von England: Zeichentrick-Kaderpräsentation

England (s.o.) gestaltet die Kaderpräsentation mit useranimierenden Vorstellungsvideos: via  Zeichentrick-Einspieler, indem die Spieler beispielsweise als Poster an der Kinderzimmerwand oder als Konsolen-Charaktere präsentiert werden. Im Nachgang gibt es dann in einem weiteren Post die Kaderliste als Übersicht.

Argentiniens Cheftrainer richtet sich persönlich an seine Nation

Authentisch: Kein großer Aufriss, nicht inszeniert, einfach und persönlich – und im Hintergrund steht noch die Taktiktafel. Das Reaktionen-Resultat: Stark.

Argentinien setzt auf eine authentische Taktik bei der Kaderpräsentation durch den Cheftrainer.

DFB: Erfolglose Kommunikationstaktik auf TikTok

Der TikTok-Turnierbaum weist zwar einen Vorteil gegenüber den Gruppengegnern Spanien und Costa Rica aus, die sechsmal so starken Videoaufrufzahlen von Gruppengegner Japan dokumentieren allerdings, wie groß die Distanz zu den performancestarken WM-Nationen ausfällt. Demzufolge kommt das DFB-Team nicht über das Achtelfinale hinaus, weil sogar der kleine Fußballnachbar Belgien bedeutend mehr an kommunikativer Resonanz bei den TikTok-Usern genießt.

Nationen wie beispielsweise Mexico, Japan, Frankreich und England sind dem DFB-Account in der User-Resonanz um Millionen-Aufrufe enteilt.

Frankreich-Stars liefern auch auf dem TikTok-Terrain Highperformer-Content

Was Fußballfans auf TikTok sehen wollen, dokumentieren diese drei Best Cases von der französischen Equipe: geniale Einzelaktionen der Stars Mbappe (u. Mitte), Pogba (u.r.) oder Kanté im Zweikampf mit DFB-Stürmer Timo Werner (u.l.).  

Bildnachweis: Alle @equipedefrance auf TikTok

Spektakuläre Videoclips sorgen für millionenfache (zweistellig!) Clicks. Weitere Content-Coups: humorige Challenges mit den Nationalspielern, einige Szenen aus dem Training und Einblicke in die Kabine. Der TikTok Account der französischen Nationalmannschaft liefert seinen Fans, was deren Herz begehrt – mit dem Ergebnis: Erfolgreichster Account aller Nationalmannschaften!

DFB-TikTok-Account: Content im Abseits

Wenig zu sehen ist davon auf dem DFB-Account. Zwar werden mittlerweile auch Spiel-Ausschnitte gezeigt, diese kommen aber deutlich unterhalb durchschnittlicher Aufrufzahlen daher.

Bildnachweis: Alle @dfb auf TikTok

Was dafür auf dem Kanal zu sehen ist, ist ein Tor von Köln im DFB Pokal gegen Jahn Regensburg. Sicherlich ein nettes Tor, aber die Aufrufzahl von knapp 29 Tausend Aufrufen verrät Desinteresse. Ähnlich verhält es sich mit der Befragung von Waldhof Mannheim Spielern (3. Liga), was sie am DFB-Pokal schätzen. Digitale Diagnose: Wenig Stars, wenig Aufrufe!

Hoffnungsschimmer:  Diese jüngsten Content-Beispiele (14.11. und 19.11.22) kurz vor dem WM-Start aus dem WM-Camp, deuten das Potenzial der deutschen Nationalmannschaft und ihrer Stars an:

Bildnachweis: Alle @dfb auf TikTok

Kurze Einblicke, die zumindest die Millionen-Mauer an Aufrufen überwinden: DFB-Stars kurz vor dem Abflug zur WM nach Katar (o.l.) oder ein Cornhole-Duell im WM-Camp zwischen Kai Havertz und Thomas Müller.

Weibliche Wirkungskraft von Gwinn & Co.

Bei der Suche nach Bewegtbild-Content mit den meisten Clicks auf dem DFB-Account fällt auf, dass die beliebtesten TikToks bislang nicht unbedingt aus dem Themenkreis der Männer-Nationalmannschaft stammen. Vielmehr sind es die Challenges und Interviews mit den DFB-Fußballfrauen um Linda Dallmann und Giulia Gwinn, die besonders viele Aufrufe erzielen.

Bildnachweis: Alle @dfb auf TikTok

Der DFB hat TikTok im Social-Media-Scouting (zu) spät aktiviert

Der DFB hat TikTok als das Top-Talent unter den sozialen Netzwerken zu spät als Highperformer-Plattform gesichtet (10.06.22). Andere Nationen haben den Trend viel früher entdeckt. So waren beispielhaft Polen und Mexico bereits Mitte 2020 auf TikTok aktiv, England und die Niederlande sogar bereits seit November 2019! Diesem zeitlichen Rückstand läuft man jetzt beim DFB hinterher. Das spiegelt sich derzeit auch noch in den TikTok-Followerzahlen wieder (153.00 Follower), bei denen man derzeit hinter Korea und Australien knapp vor Ghana rangiert, während die Profile von Frankreich (6,5 Millionen) und England (4,3 Millionen) in weiter Follower-Ferne liegen.

Frühes Aus für den DFB auch auf Facebook und Instagram!

Ernüchterung auch auf Instagram und Facebook hinsichtlich der User Reaktionen. Deutschland verabschiedet sich auf Instagram bereits im Achtelfinale gegen Marokko. Doublette: Marokko zog auch sportlich sensationell als Gruppenerster ins Achtelfinale ein!

Auf Facebook führt der Weg für die DFB-Elf zumindest noch bis ins Viertelfinale, ehe gegen die Black Stars aus Ghana der Abschied erfolgt. Noch bescheidender wirkt das frühe Ausscheiden des DFB, wenn man bedenkt, dass man unter allen WM-Teilnehmern auf Instagram die siebtmeisten und auf Facebook sogar die fünftmeisten Follower hat – und zudem im Turnierbaum sogar ausschließlich auf deutlich followerschwächere Nationalteams trifft. 

Die DFB-Engagement-Flaute setzt sich auf Instagram und Facebook fort

Wie auf Twitter legt der DFB auch eine ganz schwache Engagement-Performance auf den Plattformen Instagram und Facebook ab. Während auf Instagram (Engagement von 0,98%) nur noch Tunesien, Katar und Saudi-Arabien in diesem Jahr (01.01.22-19.11.22) einen schlechteren Engagement-Wert aufweisen, performen auf Facebook nur Brasilien, die Schweiz und Japan noch bescheidener als der DFB (Engagement von 0,14%). Deutschland gehört auf jeder Plattform zu den Nationen mit den niedrigsten Engagementwerten, Indiz einer schwachen Beziehung zu den Fans!

Setzt sich die Follower-Stagnation auch auf Facebook und Instagram fort?

Seit Jahren herrscht auf Twitter eine Followerstagnation. Wie verhält es sich seit 2019 auf den Plattformen Instagram und Facebook aus? Zumindest auf der seit 2019 stark wachsenden Plattform Instagram ist ein Plus von 2,6 Millionen zu verbuchen, damit mehr als Gruppengegner Spanien mit 2,1 Millionen! Relativierung: Portugal hat in gleichem Zeitraum ein Followerwachstum von rund 8 Millionen. Anders schaut es auf Facebook aus: lediglich rund 36 Tausend Follower konnte man seit 2019 dazugewinnen, und damit weniger als Tunesien, Kanada und Senegal. Auch wenn Facebook bei den jungen Generationen weniger angesagt ist und keine Nation ein relevantes Followerwachstum ein Millionenhöhe erreicht – so ist Facebook immer noch ein relevanter Kommunikationskanal, insbesondere auch hinsichtlich Social Advertising und E-Commerce.

Fazit

Die Social Media Accounts des DFB offenbaren eine signifikante Engagement-Schwäche. Relativ viele Follower interagieren nur schwach mit dem Profil, schwache User Reaktionswerte deuten auf eine Content-Abseitsstellung hin.

Auf den Plattformen Twitter und Facebook zeigt sich eine erhebliche Follower-Stagnation. Tristesse herrscht auch im Twitter-Tal.

Für Instagram zeigt sich zwar kein überragendes aber durchaus konkurrenzfähiges Followerwachstum, dass dennoch nicht mit denen der großen Social-Media-Nationen mithalten kann.

Fahrlässig: Auf der Trend-Plattform TiktTok wurde viel zu spät ein Account aktiviert, die Performancewerte sind entsprechend weit entfernt von denen der großen Fußballnationen, allen voran Frankreich.

Die Social-Media-Performance der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hat den Anschluss an die Weltspitze verloren.

Die Beziehung zwischen dem DFB und seinen Fans ist in Mitleidenschaft gezogen. Es braucht eine neue Kommunikationsstrategie auch auf den Social Media-Kanälen. 

Kommunikative Grüße

Friedhelm Mienert

Bildnachweise Titelbild: Instagram Screenshots @manuelneuer, @jok_32 und @esmuellert