Keine Sorge, dies wird nicht der x-te Blogbeitrag zur Corona-Pandemie. Ich möchte vielmehr einige Stolperfallen aufzeigen, die Krisen mit sich bringen können. Dabei gibt es kurzfristige Effekte, auf die es schnell zu reagieren gilt, um kein Geld zu verbrennen.

Aber auch langfristige Effekte dürfen wir nicht außer Acht lassen. Solche Einflüsse können nachhaltigen Schaden verursachen, der dann wiederum nur mit viel Aufwand wieder auszugleichen ist. Hierzu sollten wir unsere langfristige Strategie entsprechend anpassen und die Zielsetzung gegebenenfalls verändern oder korrigieren.

Nun aber zu den Herausforderungen, die Krisen mit sich bringen können.

1. Schlagartige Veränderungen im Suchvolumen durch kurzfristige, prägnante Ereignisse

Selbst in der jüngeren Vergangenheit finden sich zahlreiche Ereignisse, die diesen Effekt eindrucksvoll immer und immer wieder auslösen:

  • Flutkatastrophe im Ahrtal im Jahr 2021
  • Jahrhunderthochwasser an der Elbe in den Jahren 2002, 2006 und 2013
  • Hochwasserkatastrophen an Donau, Mosel und Rhein der vergangenen Jahre
  • Jahrhundertsturm Kyrill im Jahr 2007
  • Sturmserie Ylenia, Zeynep und Antonia 2022
  • Schneekatastrophen wie im Jahre 2005
  • Vorkommnisse wie Flugzeugabstürze, Zugkollisionen oder sonstige große Unglücke
  • Reaktorunfall in Fukushima 2011
  • Volkswagen Diesel Skandale

All diese Ereignisse haben eins gemeinsam. Sie zeigen uns unsere Verletzlichkeit auf. Sie erzeugen ein gesteigertes Bedürfnis nach Sicherheit und sie spülen plötzlich Themen nach oben, mit denen wir uns in dem Umfang normalerweise nicht beschäftigen.

Und genau dieser letzte Aspekt hat schlagartig Einfluss auf unser Suchverhalten und damit auf Suchvolumina zu einzelnen Themen und Begriffen.

Eine Statistik die das Interesse am Suchbegriff "Volkswagen Diesel" im zeitlichen Verlauf zeigt
Beispiel: Suchanfragen nach „Volkswagen Diesel“ / Quelle: Google Trends

Zum einen schießen logischerweise Suchanfragen nach Orten, Regionen, Themen aber auch Marken, die vom jeweiligen Ereignis betroffen sind innerhalb kürzester Zeit in die Höhe.

Dies geschieht meist parallel mit Aufkommen und Zunahme der Berichterstattung rund um solche Szenarien.

Als betroffene Region oder Marke gilt es hier schnell und konsequent zu reagieren, da sich die Intention der Suchenden in solchen Fällen signifikant von der Intention vor Eintritt des Ereignisses unterscheidet. Damit hat dieses Suchvolumen auch rein gar nichts mehr mit der ursprünglichen Planung hinter solchen Kampagnen zu tun.

Ergänzend zum Herunterfahren der “alten” Kampagnen macht es sicherlich Sinn, das neu entstandene Informationsbedürfnis über die betroffenen Suchanfragen zu bedienen.

Auf der anderen Seite gibt es jedoch, zeitlich etwas nachgelagert, teils deutliche Veränderungen im Suchvolumen für Anfragen, die durch die oben genannte Beschäftigung mit vorher irrelevanten Themen ausgelöst werden.

Dies betrifft vor allen Dingen Suchanfragen, die Lösungen anbieten, sollte man selbst von solchen Katastrophen betroffen sein. Dazu zählen Suchbegriffe wie Elementarversicherung, Hochwasserversicherung, Stromgenerator, Jodtabletten, FFP2-Maske, Corona Schnelltest und und und.

Eine Statistik die das Interesse am Suchbegriff "Elementarversicherung" im zeitlichen Verlauf zeigt
Die Suchanfragen zum Begriff „Elementarversicherung“ schnellten aufgrund des Jahrhunderthochwassers im Juli 2021 nach oben, besonders betroffen waren NRW und Rheinland-Pfalz, wo es zur Flutkatastrophe im Ahrtal kam. Quelle: Google Trends

Wie bereite ich mich vor?

Um vorbereitet zu sein sollte sich jeder Werbetreibende darüber Gedanken machen, welche Art von Ereignissen zu einem Anstieg oder im Zweifel auch Wegfall von Suchvolumen für das eigene Produkt- und Leistungsportfolio führen kann. Im zweiten Schritt sollten Indikatoren identifiziert werden, mithilfe derer sich solche Vorkommnisse monitoren und frühzeitig erkennen lassen. Ein Ereignis-Frühwarnsystem quasi.

2. Was ist wenn der Nutzer unverändert sucht, aber plötzlich etwas ganz Anderes meint?

Auch hier geht es wieder um das Suchverhalten der Nutzer, allerdings diesmal um Suchanfragen, bei denen sich die Intention hinter Suchanfragen durch äußere Einflüsse radikal ändert.

Beispiel aus der Pandemie: Corona

Ein sehr prominentes Beispiel der letzten zwei Jahre ist der Suchbegriff Corona. Auch vor der Pandemie wurde nach diesem Begriff gesucht. Allerdings haben “damals” die wenigsten Anfragen damit die Viren Kategorie gemeint haben. Der allergrößte des Suchvolumens um den Begriff Corona wird die mexikanische Biermarke als Intention gehabt haben. Mit zunehmender Ausbreitung von Covid-19 und der damit einhergehenden öffentlichen Wahrnehmung des Begriffes war immer weniger die Biermarke gemeint.

Gut für das Suchvolumen, schlecht für die Marke.

Aktuelles Beispiel aus Ukraine-Krieg: Swift

Eine Statistik die das Interesse am Suchbegriff "Suzuki Swift" mit dem Suchbegriff "Swift" im zeitlichen Verlauf vergleicht
Das Suchinteresse nach „Suzuki Swift“ (blaue Linie)  und „Swift“ (rote Linie) im zeitlichen Verlauf. Die Berichterstattung zum Ausschluss russischer Banken aus dem Swift-System im Rahmen der Sanktionen gegen Russland führte zu einem hohen Suchinteresse nach dem Begriff „Swift“.  / Quelle: Google Trends

Das sehr aktuelle Beispiel ist das Themengebiet Swift. Teil der Sanktionen als Antwort auf das Vorgehen Russlands in der Ukraine war der Ausschluss einiger Banken aus dem SWIFT-System (SWIFT=Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication). Diese Maßnahmen inkl. der einhergehenden massiven Berichterstattung hat diesen Begriff in den Suchsystemen in den Mainstream katapultiert und das Ziel der meisten Anfragenden komplett geändert.

Noch vor wenigen Wochen war die Ziel vieler Nutzer bzw. Endverbraucher rund um diesen Suchbegriff sicherlich eher die Marke Suzuki und das dazugehörige Modell Swift.

Die große Herausforderung in beiden Fällen ist die Identifizierung der Intention der Nutzer. Der rein generische Begriff ist in beiden genannten Fällen nicht mehr eindeutig und damit für die jeweilige Marke nicht mehr zielführend. Dieser Umstand muss Berücksichtigung im Keywordset finden.

Auch die Frage, wie lang diese Zielverlagerung anhält sollte regelmäßig überprüft werden. Ich würde denken, dass sich diese rund um den Begriff Corona nachhaltig verschoben hat, der Effekt rund um den Begriff Swift würde ich eher kurzzeitig ansehen.

Ach Ja und auch der Wettbewerb, der auf solche Begriffe Werbung schaltet, ist in gleichem Umfang betroffen.

Screenshot von Suzuki Swift Werbung auf Spiegel Online
Suzuki Swift Werbung im Kontext von
Berichterstattung über den Swift-Ausschluss
russischer Banken. Screenshot: spiegel.de

3. Achtung bei kontextuellem Targeting

Auch beim Targeting auf Kontext ist in vielen Fällen Vorsicht geboten. Schon in “normalen” Zeiten muss jeder Werbetreibende sensibel darauf achten, nicht in unerwünschten Umfeldern ausgespielt zu werden. Es gibt zu Hauf Beispiele für Bad Ads, die der jeweiligen Marke nicht gut zu Gesicht stehen und bestimmt nicht so gewollt waren.

Vor kurzer Zeit ist genau das dem oben bereits erwähnten Autohersteller Suzuki passiert. Scheinbar sollte Werbung im Kontext des Begriffs Swift geschaltet werden. Beabsichtigt war sicherlich Berichterstattung und Kontext zum eigenen Modell “Swift”.

Der zuvor genannte Umstand rund um den Swift-Ausschluss diverser russischer Banken hat auch hier dazu geführt, dass die Werbung von Suzuki in diesem, bestimmt nicht beabsichtigten, Kontext ausgespielt wurde. Das wurde bei Suzuki recht schnell bemerkt und tritt nun nicht mehr auf. Unschön war es trotzdem.

Wenn man das Ganze noch genauer betrachtet war es auch schon vor diesem Ereignis riskant. Der Kontext hätte nämlich auch die US-amerikanische Sängerin Taylor Swift thematisieren können. Alles in allem also doppelt ungünstig für bzw. von Suzuki.

4. Lebenshaltungskosten steigen, die Zukunft wird ungewisser

In allen Krisen, die sich auf die finanziellen Spielräume der Menschen auswirken ist ein ähnliches, völlig nachvollziehbares Muster zu erkennen.

Hohe Investitionen und nicht unbedingt erforderliche Ausgaben werden vermieden. Luxusgüter, teure Produkte (z.B. Unterhaltungselektronik) und Dienstleistungen (u.a. Reisen) haben es einfach schwerer.

Natürlich besteht weiterhin Interesse an diesen Dingen, nur der Schritt, dann auch wirklich zu kaufen oder zu buchen bleibt (vorerst) aus. Wenn man sich das Anhand des Conversion-Funnels einmal verbildlichen möchte, so bleiben die Nutzer in der Interest-Phase hängen. Es entsteht quasi ein Stau und die Conversion Rate sinkt unweigerlich.

Gfk-Konsumklimaindex

Abbildung des Gfk-Konsumklimaindex im zeitlichen Verlauf
Der Gfk-Konsumklimaindex, der die Konsumneigung der Privathaushalte misst, fiel im März auf einen Indexwert von -8,5 Punkten. Die Prognose für April 2022 lautet -15,5 Punkte und ist damit eine Verschlechterung der Verbraucherstimmung. Gründe: Unsichere Zeiten für die Wirtschaft durch Krieg in der Ukraine und Sanktionen gegen Russland, zudem eine hohe Inflationsrate / Quelle: statista

Bei einer solchen Entwickelung, wenn also Stau im Funnel entsteht, heißt es, die Touchpoints entlang der Customer Journey neu zu bewerten und die Strategie entsprechend daran anzupassen.

5. Was ist wenn es morgen nichts mehr gibt?

Wer kann sich nicht an die leeren Toilettenpapierregale im ersten Corona-Lockdown erinnern.

Schon die bloße Ankündigung über Lieferengpässe und scheinen sie noch so vage führen scheinbar bei nicht wenigen Mitmenschen zum Reflex sich einen Vorrat anzulegen.

Hamstern ohne Rücksicht auf Verluste.

In einer globalisierten Welt haben Krisen unweigerlich Auswirkungen auf Lieferketten und Ressourcenbeschaffung. Es muss am Ende aber gar nicht die große Krise sein, auch das auf Grund laufen eines einzigen Containerriesen wie bei der “Ever Given” im März 2021, führen zu Schockwellen im globalen Handel. Für knapp sechs Tage war diese wichtige Handelsroute unterbrochen und die Auswirkungen auf alle Facetten des Handelsgeflechtes waren immens.

Bild eines leeren Mehlregals im Supermarkt
April 2022: Kein Mehl im Supermarkt und wenn Mehl da ist, ist die Abgabe pro Haushalt beschränkt. Bildnachweis: web-netz

Es gibt unzählige Beispiele was auf der Hamster-Agenda landet:

  • Coronakrise: Toilettenpapier, Mehl, Hefe …
  • Ukrainekonflikt: Speiseöl, Mehl, Nudeln, Konserven …
  • Rohstoffmangel: Unterhaltungselektronik, Computer …

Die Auswirkungen sind nicht immer nur direkter Natur, es geht auch um Ecken.

Der aktuelle Dieselpreis ist unter anderem auch dem Einkaufsverhalten beim Heizöl geschuldet. Die hohe Nachfrage nach Heizöl für die Heizperiode im kommende Winter aus Angst vor einer potentiellen Energiekrise treibt auch den Dieselpreis in die Höhe.

Warum? Die Basis für beide Produkte ist identisch…

Hier gilt es, sich bewusst zu sein, wie aktuelle Ereignisse direkt oder indirekt das eigene Produktportfolio betreffen und entsprechend zu agieren.

  • Ist genug am Lager? Vollgas und Nachfrage decken!
  • Ist der Bestand limitiert und Nachschub ist nicht gesichert? Mit Bedacht vorgehen und rechtzeitig die Werbung herunterfahren.
  • Drop-Shipping-Modelle sollten hier extrem vorsichtig agieren. Nichts ist schlimmer als Conversions, die aufgrund von Lieferausfällen nicht bedient werden können und am Ende verärgerte Kunden hinterlassen.

6. Krisen zur eigenen Profilierung nutzen ist ein ganz schmaler Grat!

Zu guter Letzt noch ein abschließender Faktor, der in Krisenzeiten nicht zu unterschätzen ist.

Natürlich ist es legitim, in der Krise Geschäfte zu machen, wobei der moralische Kompass hier sehr sensibel berücksichtigt werden sollte. Die Entscheidung vieler Unternehmen, ihr Russlandgeschäft aus aktuellem Anlass zu beenden fällt genau darunter.

Die Frage ob man mit einer Krise Geschäfte machen muss jeder für sich selbst entscheiden.

Wenn ein namhafter Coach empfiehlt, genau zu schauen wie man mit dem Ukraine-Krieg Geld machen könnte, wie man diese Katastrophe bewusst zu seinem eigenen Vorteil nutzen könne, dann finde ich persönlich das mehr als fraglich. Aber hey … Karma is a bitch!

In jedem Fall muss sich aber jeder Werbetreibende, jedes Unternehmen über die Außenwirkung jeglicher Aktivität bewusst sein.

Jede Krise und jedes Unglück betrifft Menschen, die direkt darunter zu leiden haben. Eigene Profilierung auf dem Rücken eben dieser Leidtragenden wird speziell in solchen Zeiten vom Verbraucher sehr genau und skeptisch wahrgenommen und im Zweifel abgestraft.

Dies umfasst auch die eigenen Hilfsaktivitäten in Krisen.

“Tu Gutes und rede darüber” sollte auf keinen Fall übertrieben werden, das geht in den meisten Fällen nach hinten los und wird vom Verbraucher übelgenommen.

Fazit: Alles im Blick haben

Schon in “normalen” Zeiten verändern sich die Rahmenbedingungen stetig und Nutzer tun nicht immer das was wir eigentlich erwarten. Sobald sich durch äußere Einflüsse aber dann auch die Rahmenbedingungen signifikant ändern kann es durchaus wild werden.

Wer also bei seinen Kampagnen ausschließlich auf die eigenen Daten vertraut wird von solchen Ereignissen immer wieder überrascht werden. Dann bleibt nur noch die Option zu reagieren.

Wer jedoch auch die Rahmenbedingungen monitort und ständig im Blick hat, der wird potentielle Veränderungen frühzeitig identifizieren und ist dann in der Lage zu agieren.

Ganz besonders in Zeiten wie wir sie aktuell erleben, ist dieser Blick wichtiger denn je. Niemand kann vorhersagen, wie sich Dinge langfristig entwickeln werden.

Es ist wie auf Sicht fahren im Nebel:

  • Wachsam sein
  • Alles im Blick haben
  • Agieren sobald sich Veränderungen abzeichnen
  • Bei Gefahr blitzschnell reagieren

Wie geht ihr mit solchen Herausforderungen um?

Habt ihr vielleicht komplett andere Ansätze?

Ich freue mich auf euer Feedback.

Nico

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