So einen Aufruhr gab es selten! „Ok Facebook, gib mir mein Geld zurück, das ich seit 5 Jahren investiere.“ – so ein aufgebrachter User. „Das darf Facebook doch nicht einfach“, so der Tenor besorgter Online-Marketer. „Schluss mit kostenloser Reichweite!“ – so einige Online-Blogs. Was steckt hinter der branchenweiten Panik? Ist das Ende des Social Media Marketings nah? Adrienne, unser Head of Social Media, gibt einen Erklärungsversuch.

Was ist überhaupt passiert?

Neujahrsvorsätze – Jeder kennt sie, die meisten haben sie und die allermeisten haben sie schon wieder verworfen. Schließlich ist das neue Jahr bereits gute zwei Wochen alt! Sei es mehr Sport zu treiben, endlich mit dem Rauchen aufzuhören oder aber mehr Zeit mit den Lieben zu verbringen. Genau das denkt auch Mark Zuckerberg, dass wir das tun sollten. Der Facebook-Gründer hat vor ein paar Tagen seine guten Vorhaben für das größte soziale Netzwerk unserer Zeit – Facebook – veröffentlicht. Die Online-Branche steht seither Kopf! Ob zurecht, versuche ich in diesem Artikel zu beurteilen.

Der Facebook Gründer Mark Zuckerberg hat in einem sehr ausführlichen Neujahrs-Posting dargelegt, was er mit Facebook 2018 vorhat. Um den Gründer ist es oft ruhig, gerade da er sich aktuell eigentlich in selbstangekündigter Elternzeit befindet, war dieser sehr ausführliche Post doch eine Überraschung. Hier einmal der viel diskutierte Post:

Mark Zuckerbergs Facebook-Post zum Thema Änderungen im Facebook-Stream

Mark Zuckerbergs Neujahrs-Posting vom 12.01., in dem er schreibt was er bei Facebook für 2018 plant. (Bildquelle: © by facebook.com/zuck)

Was wünscht sich Zuckerberg für Facebook?

Weg von Masse – hin zu Klasse – so wirkt es auf den ersten Blick. War es bisher stets Facebooks Ziel, die meisten User weltweit zu haben, die mehr Stunden in der Woche eingeloggt sind als in anderen Netzwerken und vor allem am allermeisten abgespielte Videominuten weltweit zu generieren, scheint nun ein Umdenken stattgefunden zu haben. Zuckerberg möchte nun wieder zu den Wurzeln Facebooks zurück: Es war schließlich mal (ganz am Anfang sogar ein sehr elitäres) Netzwerk, um private Kontakte zu pflegen. Und so hat man mich damals auch gelockt: Es ist nun wirklich viel einfacher als früher, Kontakt zu Schul- oder Studienfreunden oder auch nur Reisebekanntschaften zu halten. Sollte ich mal keine aktuelle Handynummer parat haben, kein Problem. Bei Facebook ist man schon verbunden. In meiner Altersklasse kenne ich genau eine Person, die ich nicht auf Facebook finde. EINE! Der Rest beschwert sich zunehmend, dass man nur noch die viel beschrieenen Katzenvideos sieht.

Noch einmal kurz zusammengefasst – Zuckerbergs Ankündigungen für Facebook 2018:

  • In den letzten Jahren ist öffentlicher Content explodiert, was die Balance zwischen öffentlichen und privaten Content gefährdet hat.
  • Facebook möchte nach wie vor dem User ein besonders gutes Gefühl geben und sieht daher die soziale Interaktion wieder vermehrt im Fokus.
  • Facebook arbeitet folglich gerade an großen Veränderungen („major changes“), um Usern eben nicht mehr nur relevanten, sondern für sie bedeutsamen Content, also den von Familien und guten Freunden, auszuspielen.
  • Dass die Zeit, die User eingeloggt sind, eventuell sinken wird, wird in Kauf genommen; alles in allem werden aber eben diese eingeloggten Minuten wertvoller werden.

Zuckerbergs Ankündigung kommt für User womöglich gerade zur rechten Zeit, wenn es nicht sogar für einige schon zu spät ist und die Userzahl am Ende sogar sinkt. Aktuell sinkt nämlich bereits die Zeit, die die User auf Facebook wirklich aktiv verbringen, also durch ihren Newsfeed scrollen und liken, kommentieren und tun, was Facebook-User eben tun.[1] In letzter Zeit also vor allem mehr oder weniger lustige Videos schauen oder mit GIFs kommentieren und vor allem ihre Freunde verlinken. In der einen oder anderen Freundschaft hat dies sogar gänzliche sonstige Kommunikation abgelöst.

Was können nun die Folgen der Änderungen sein?

Facebook ist schon lange kein Gratis-Medium mehr

Was jeder weiß: Es kostet Geld, Werbung zu platzieren. Auch eine Zeitungsanzeige ist nicht umsonst! Nicht mal für Privatpersonen. So ist das Leben – schon immer. Ich muss nicht meine Kristallkugel rausholen, um zu sagen: Ja, vermutlich wird die organische Reichweite der meisten Seiten kleiner werden, evtl. sogar ganz wegfallen. Bis dies der Fall ist, hilft aber – wie immer bei Facebook – nur abwarten, ob es wirklich passiert. Die Reduzierung der Reichweite ist bedauerlich, überhaupt keine Frage, aber kein Weltuntergang. Denn es ist doch schon in den letzten Jahren so: Nach und nach wurde es doch immer nötiger auch auf bezahlte Reichweite zu setzen und hier die richtigen Zielgruppen zu finden. Ansonsten wäre es kaum möglich gewesen, dass Facebooks Werbeeinnahmen zuletzt erstmals die von Google übertroffen hat. Tatsächlich ist die große Änderung nur die Fortführung eines Trends, der sich seit Jahren immer weiter verstärkt hat. Nur dieses Mal eben mit einer großen Ankündigung.

Reichweiten-Steigerung gegen Geld

Sichtbarkeit auf Facebook erfordert – wie jegliche Werbung – Investitionen. (Bildquelle: © by LightFieldStudios / iStockphoto.com)

Was wäre denn auch die Alternative? Immer mehr User, die Facebook höchstens nutzen, um keine Veranstaltungen zu verpassen, weil der Content, der ihnen im Newsfeed ausgespielt wurde, am Ende doch immer austauschbarer wurde? Frustrierte Nutzer, die zwar nicht austreten, aber einfach immer weniger online gehen? Dann erreichen wir langfristig auch niemanden mehr mit unseren Posts, mögen sie noch so gut sein!

Durchatmen! Alles wird gut!

Werbung war auf Facebook lange Zeit sehr attraktiv, weil sie eben wahnsinnig günstig war – verglichen mit anderen Kanälen. Das dürfte sich tatsächlich verändern: mehr Platz für private Inhalte heißt definitiv weniger Platz für kommerzielle Inhalte. Der geringe Preis war aber nicht das einzige Merkmal: Die tolle Aussteuerbarkeit und die hervorragend Messbarkeit wird bleiben. Das ist nun mal Facebooks Erfolgsmodell. Vielleicht heißt es ja auch, dass die Zeit der Praktikantenarbeit auf Facebook endlich vorbei ist (wirklich gar nichts gegen Praktikanten, wir haben ganz großartige Praktis), die Arbeit dort endlich ganzheitlicher angegangen wird und die Zeit der sprunghaften „Wir müssen das jetzt aber noch eben posten“-Mentalität oder die „Wir posten einfach die Pressemitteilung, das machen wir seit Jahren so“-Credos langsam vorbei sind und wir wirklich anfangen, Facebook als das anzusehen, was es ist: Ein ernstzunehmender Vermarktungskanal.

Vielleicht passieren ja auch kleine großartige Dinge: Vielleicht wird das Zielgruppen-Targeting noch genauer  und am Ende sieht ein User wirklich nur noch das, was ihn oder sie wirklich interessiert. Und das kann natürlich AUCH, aber eben nicht NUR, Content von Unternehmen sein. (An dieser Stelle wäre es schön, wenn Sky einsieht, dass ich wirklich kein Bundesligapaket buchen möchte. Wirklich nicht!).

Mich interessiert, wann meine Lieblingsserie fortgesetzt wird, Fernflüge reduziert angeboten werden oder mein favorisiertes Sneaker Label Sale hat. Und ich werde weiterhin auf Facebook und dem Schwesternnetzwerk Instagram für euch erreichbar sein, liebe Lieblings-Marken. Und wenn wir mit genau diesem Ansatz daran gehen, nämlich Content produzieren, den unsere User wirklich um keinen Preis verpassen wollen, dann werden wir auch in Zukunft relevante Reichweite generieren; auch wenn sie quantitativ eventuell zunächst sinkt. Aber egal, ob die organische Reichweite völlig wegfällt oder nur (wie ich es vermute) reduziert wird, Content – genau wie auch alle anderen Werbemittel – muss, und das galt schon vor 2018, für die jeweilige Zielgruppe relevant und ansprechend sein. Und, wie gesagt, einen kleinen budgetären Schub sollte man schon länger seinen Inhalten gewähren, wenn sie eine gewisse Reichweite erzielen sollen.

Möglicherweise heißt dies langfristig auch, dass Irritationen oder sogar Pöbeleien abebben – aber das ist nur mein frommer Neujahrswunsch. Natürlich wird das Ganze einige Herausforderungen mit sich bringen. Vielleicht müssen wir in einigen Bereichen auch anfangen, völlig neu zu denken. Aber gerade in der Online-Welt ist eben nichts so konstant wie die Veränderung. Wir sollten unsere Zielgruppen noch genauer analysieren und genau hinschauen, wo wir sie finden können. Ansonsten heißt es wohl für uns Social Marketer, dass wir unseren Neujahrsvorsatz, 2018 nur noch gehaltvolleren Content zu gestalten, länger durchhalten sollten als zwei Wochen. Aber das bekommen wir sicherlich hin!

Nur das Beste

Unterschrift Adrienne

[1] https://buggisch.wordpress.com/2018/01/02/social-media-und-messenger-nutzerzahlen-in-deutschland-2018/

Bildquelle Titelbild : © by KatarzynaBialasiewicz / iStockphoto.com;