Die Linie, wo die Arbeitszeit aufhört und das Privatleben beginnt, verwischt zunehmend immer mehr. Dies ist gar nicht unbedingt von steigenden Ansprüchen der Arbeitgeber oder Branchen verursacht, sondern hängt viel mehr mit der ständigen Erreichbarkeit zusammen. Allen voran Social Media Manager haben zumindest in Gedanken eigentlich nie frei. Auch zu Hause auf dem Sofa sehe ich die Postings meiner Kunden und die zu beantwortenden Kommentare ihrer Kunden. Berufskrankheit von Social Media Perlen, also?

Nicht ausschließlich – immer mehr Arbeitnehmer folgen den Social Media Auftritten ihrer Arbeitgeber oder noch viel mehr: posten auch zu den Unternehmen, in denen sie angestellt sind und werden so zu (Arbeitgeber-)Markenbotschaftern. Genau zu dieser Art von Influencern durfte ich in der vergangenen Woche eine Podiumsdiskussion für den BVDW, wo ich mich im Vorstand der Fokusgruppe Social Media engagiere, auf der Social Media Week in Hamburg moderieren.

Meine Gäste waren vor allen Dingen in Human Ressources Departments tätig. Ihre Aufgabe ist es, den Mitarbeitern ihrer Unternehmen es auf verschiedene Art und Weise leicht zu machen, in ihren eigenen sozialen Auftritten über ihren Arbeitgeber zu erzählen. So berichtete Laura Preissler von T-Systems über mehrere Tools: Verschiedene Plattformen, auf denen Unternehmensinhalte gesammelt und aufbereitet werden oder noch werden können. Auch Andrea Steverding von der Strategieberatung Oliver Wymann und Angelina Peipers von OTTO haben es sich zur Aufgabe gemacht, es Kollegen und Kolleginnen besonders einfach zu machen, über das eigene Unternehmen zu berichten.

Warum ist der unternehmenseigene Influencer so wichtig?

Aus Unternehmenssicht ganz klar: Einerseits ist es einfach eine Vergrößerung der Reichweite ohne extra Budget in die Hand zu nehmen. Andererseits vertrauen Menschen schlichtweg eher Menschen als Unternehmen. Dies war schon immer so und wird auch einfach immer so bleiben. Es ist ja klar, dass ein Unternehmen auf seinen Social Media Kanälen eher die positiven Seiten präsentiert. Hier haben wir aber auch direkt das eine große Risiko: die Abgabe von Kontrolle. Die ewig große Angst vorm Shitstorm, die ja sowieso jeden Geschäftsführer zumindest im Mittelstand umtreibt, dann aber auch noch ausgelöst vom eigenen Mitarbeiter. Es bleibt die Frage, ob Shitstorms überhaupt noch existent sind. Um dies zu umgehen, rät Andrea kleineren Unternehmen zuerst zu Xing und Linkedin, da die eher professionell orientierten Netzwerke weniger für ihre negativen Kommentare bekannt seien. Dies ist natürlich auch für Unternehmen eine gute Methode in diesen Netzwerken Reichweiten zu erzielen ohne direkt Werbebudget in die Hand zu nehmen.

Speaker-Gruppenbild der Employee Advocacy

Adrienne Becker von web-netz (3. v. r.) leitete die BVDW e.V. Diskussionsrunde zum Thema „Employee Advocacy“ bei der Social Media Week 2019 in Hamburg. Auf dem Foto v.l.n.r.: SMWHH Moderatorin Janine Mehner, Laura Preissler (T-Systems), Pawel Dillinger (Deutsche Telekom AG), Michael Koch (Freigeist & Friends GmbH & Co KG), Adrienne Becker (web-netz), Andrea Steverding (Oliver Wyman) und Angelina Peipers (OTTO). Bildnachweis: web-netz

Welche Vorteile bringt es den Corporate Influencern für den Arbeitgeber zu posten? Was ist ihre Motivation als Mitarbeiter das Image des Arbeitgebers zu stärken?

Andrea und Angelina sehen die Vorteile aber auch für den Mitarbeiter selbst. Gute Vernetzung innerhalb der soziale Kanäle verstärke eben auch den eigenen Marktwert, den Mitarbeiter ja mehr und mehr haben. Das bringt mich zu meinem eigentlichen Interessengebiet in diesem Thema: Was ist meine Motivation als Mitarbeiter, mich in meiner Freizeit weiterhin mit meinem Arbeitgeber auseinanderzusetzen, noch viel mehr, die Reichweite zu erhöhen, das Image zu stärken?

Hier kam Pawel Dillinger – auch Mr. Magenta genannt – ins Spiel: Der treibt das Markenbotschafter-Spiel auf ein ganz neues Level. In magentafarbenen Schuhen und Pulli, mit großer goldener T-Kette um den Hals, die den Kommunikationsriesen klarmachen, den er vertritt. „Braucht so jemand noch ein Tool, damit er mitmacht?“ hinterfragt Michael Koch selbstständiger Social Media Veteran (nach eigenen Aussagen schon länger als es Social Media überhaupt gibt) nicht ganz zu Unrecht.

Pawel Dillinger Screenshot Twitter

Telekom Botschafter Pawel Dillinger auf twitter. Bildnachweis: https://twitter.com/dillinger4010

Sind diese Tools dann notwendig? Für einen Pawel sicherlich nicht, für einen nicht ganz so extrovertierten Kollegen (oder wie Pawel sich selbst beschreibt „positiv bekloppten Vertreter“) eventuell eben doch. Die Tools und redaktionell bereitgestellte Textbausteine, Fotos und Videos seien vielmehr als Hilfestellung zu verstehen, die zumindest am Anfang Sicherheit bieten können. Hier war sich die Runde weitestgehend einig.

Warum sind Employee Advocacy Programme jetzt gefragt?

Pawel sprach noch etwas anderes an, was mich ins Denken brachte: Employee Advocacy Programme sprießen deswegen so aus dem Boden, weil sie erst durch einen kulturellen Wandel in der Arbeitswelt populär werden konnten. Noch vor wenigen Jahrzehnten waren Mitarbeiter weniger involviert, identifizierten sich nicht zwingend mit der Marke, für die sie täglich mehrere Stunden ihres Lebens in einem Büro, in einem Werk oder einem Geschäft malochten. Auf die Nachfrage nach seinem Arbeitgeber hätte ein Telekom-Kollege damals noch mit „bei einem großem Telekommunikationskonzern“ geantwortet. Heute wechselt man einfach das Unternehmen, wenn es nicht genug gefällt, sieht den Arbeitgeber nicht mehr als einmalig gesetzt und möchte generell mehr aus seiner Arbeit ziehen als „nur“ das monatliche Gehalt. Natürlich sei dies nicht bei allen Beschäftigten so, aber der Wandel sei deutlich zu spüren. Dies kann ich auch aus meinem Kollegen- und natürlich auch Freundeskreis bestätigen: Gibt mir die Arbeit nicht mehr genug Sinn, wechsele ich den Job. Und gerade da diese Jobwechsel immer flexibler passieren können, bekommen Arbeitgeber-Marken oder eben jegliche Maßnahmen zum Employer Branding eine immer größere Bedeutung. Und da beißt sich die Katze doch in den Schwanz.

Auch wenn ich mich vor dieser Podiumsdiskussion kaum mit dem Thema Employee Advocacy beschäftigt habe, zumindest nicht unter diesem Decknamen, wird mir als eingefleischte und absolut überzeugte Social Media Perle klar: Ob es nun um die Beziehung zwischen Unternehmen und ihrer jetzigen und potenziellen Belegschaft oder um die von Marken und ihrer aktuellen und potenziellen Kundschaft geht, gelten doch genau die gleichen Regeln wie im üblichen Social Media Marketing.

Bei Employee Advocacy gelten die gleichen Regeln wie auch sonst im Social Media Marketing:

  • Menschen reden, das tun sie sowieso. Also gib dem Ganzen eine öffentliche Plattform, damit du reagieren kannst.
  • Menschen vertrauen eher Menschen. Du doch auch, oder? Influencer Marketing wirkt nicht umsonst branchenübergreifend.
  • Die große Angst vor dem großen Shitstorm ist meist nicht ganz so groß, wie die Wartezeit lang ist. Er kommt und kommt und kommt in den allermeisten Fällen einfach nicht.

Wie bekommt man das Ganze ins Rollen und wie kann die komplette Belegschaft wie ein großer Influencer agieren?

Tools können sicherlich helfen, ich denke aber, dass hier nichts über Motivation und Teamspirit geht. Und die kommt ganz einfach durch gute Führung, coole Aufgaben, tolle Perspektiven. Vertrauen muss man seinen Mitarbeiter doch sowieso, oder? Der Schritt dies auch in den sozialen Netzwerken zu tun, sollte also nicht allzu groß und schwer sein. Meine lieben Teammitglieder und ich versorgen ebenfalls schon jetzt und ganz ohne Employee Advocacy Programm die Follower unserer privaten Kanäle mit Content, der auch bei web-netz produziert wird. Vor allem, wenn wir mal wieder unserer größten Leidenschaft nachgehen: zusammen essen. 😉

In diesem Sinne: #fettmitwebnetz

Nur das Beste
Adrienne

 

Bildnachweis Titelbild: web-netz